Die diesjährige Aktionswoche der seelischen Gesundheit steht unter dem Motto: „Lass Zuversicht wachsen – psychisch stark in die Zukunft.“ Genau das ist auch mein Anliegen. Ich habe meine Geschichte öffentlich gemacht, weil ich mit meinen Worten Mut und Zuversicht weitergeben möchte.
Wenn du auf mein Beitragsbild schaust, könnte man denken, es zeige einfach nur einen gewöhnlichen Nachmittag in einem Garten: Wäsche flattert im Wind, Sonne, Himmel, Alltag.
Und doch steckt darin eine Wahrheit, die mit Worten zu tun hat.
So wie wir Wäsche waschen, um das Alte, Verbrauchte loszulassen, brauchen wir manchmal auch einen neuen Wortschatz für uns selbst. Worte, die uns stärken, uns Atmen lassen und Zuversicht vermitteln.
Worte sind machtvoll. Sie können verletzen oder tragen. Sie können uns in Schubladen stecken – oder Türen öffnen.
Ich weiß, wie es ist, wenn ein Wort zu eng wird. „Alkoholikerin“ ist so ein Wort. Es beschreibt etwas, das einmal war – aber nicht mehr ist.
Ich bin mehr als das. Ich bin ein Mensch, der gelernt hat, loszulassen.
Bis heute tue ich mich schwer mit dem Begriff „Alkoholikerin“. Dieses Wort sollte – zumindest für mich – aus unserem Wortschatz verschwinden. Es reduziert einen Menschen auf ein Verhalten, auf ein Vergangenes.
Wenn wir gefragt werden: „Und was machst du so beruflich?“, antworten wir meist: Ich bin Gärtnerin. Ich bin Verkäuferin. Ich bin Sozialarbeiterin. Diese Worte beschreiben, was wir tun, aber oft auch, womit wir uns identifizieren.
Doch ich bin keine Alkoholikerin. Ich war eine Frau, die zu viel getrunken hat – das gehört zu meiner Vergangenheit, nicht zu meiner Identität. Ich will mich nicht ständig an das erinnern, was war. Ich will mich an das erinnern, was ich gelernt habe: dass Genesung, Zukunft möglich ist, dass Freiheit wächst, wenn man sich selbst ehrlich begegnet. Ich bin mehr als die Zeit, in der ich getrunken habe. Ich bin so viel mehr als meine Vergangenheit. Wir sind so viel mehr als unsere Vergangenheit.
Worte sind machtvoll. Sie können uns verletzen, sie können uns im übertragenen Sinne vergiften, sie können uns klein halten, uns schwach machen, uns krank machen, sie können uns aber auch nähren, uns heilen und stärken. Sie formen unser Selbstbild – prägen, wie andere uns sehen.
Menschen mit einer bipolaren Störung oder Menschen in depressiven Phasen werden auch nicht als „die Bipolare“ oder „die Depression“ bezeichnet. Warum also sprechen wir bei Sucht von: Ich bin Alkoholikerin?
Ich wünsche mir, dass wir beginnen, anders zu sprechen – mit mehr Achtung, mehr Weite, mehr Verständnis. Dass wir aufhören, Menschen auf ihre Erkrankung zu reduzieren.
Es gibt so viele andere Möglichkeiten, sich mitzuteilen: Ich war süchtig, ich war alkoholkrank. Ich bin auf dem Weg der Genesung. Ich war alkoholkrank. Ich möchte gesunden.
Welche Gedanken sind dir beim Lesen gekommen? Welche Erfahrungen hast du gemacht?
Schreibe mir gerne.
Herzlich,
Die Heike
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