Selbstmitgefühl

In meinem letzten Blogbeitrag schrieb ich, dass Heilung einer großen Portion Selbstmitgefühl bedarf. Heute möchte ich genau darüber schreiben. Wir alle kennen Mitgefühl. Es ist die Fähigkeit, die Emotionen unseres Gegenübers zu erkennen und nachzuempfinden. Doch wie sieht unser Selbstmitgefühl aus? Inwiefern können wir uns selbst freundlich, wohlwollend und tröstend zur  Seite stehen? 

Bei mir selbst und auch in der Gesellschaft nehme ich so manches Mal einen “harten Umgang mit uns selbst” wahr. Entweder kritisieren wir uns selbst oder wir machen uns Selbstvorwürfe. Wieso ist das so? Haben wir es vielleicht nicht gelernt, mit uns selbst freundlich zu sein?  Ich für mich kann sagen, dass ich es in meinem Elternhaus und auch nicht in meinem sozialen Umfeld gelernt habe. Doch ich kann heut einen wertschätzenden Selbstdialog lernen und aufhören mich selbst zu erniedrigen indem ich zum Beispiel aufhöre “Ach, was bin ich blöd” mir zu sagen. Freundlich ist das nicht!

Selbstmitgefühl bedeutet, uns in guten und schlechten Zeiten wie eine beste Freundin oder wie ein bester Freund zur Seite zu stehen. Selbstmitgefühl ist, wie es Dr. Kirstin Knef (Forscherin und Lehrerin im Bereich Selbstmitgefühl) nennt ein Untersützungssytem, das wir uns selbst geben. Wir können dieses Unterstützungssystem auch anders benennen. Es ist unsere beste Freundin, unser bester Freund! 

Das Selbstmitgefühl zeichnet sich durch drei unterschiedliche Elemente aus: Da ist zum einen die Selbstfreundlichkeit, der Gemeinschaftssinn und die – wie kann es anders sein – die Achtsamkeit. Wir können durch die Ausbildung des Selbstmitgefühl sowohl eine tiefere Beziehung zu uns selbst als auch zur  Welt erlangen. 

Früher waren meine negativen Selbstgespräche wesentlich stärker ausgeprägt. Eigentlich war es ein fortwährendes destruktives Selbstgespräch. Tagein, tagaus.  Diese destruktiven Gespräche konnte  ich dann häufig nur zum Schweigen bringen, indem ich Alkohol trank. Wurde ich wieder nüchtern, begann der Teufelskreis von neuen. 

Heute passieren mir gelegentlich immer noch diese selbst schädigenden Gespräche. Doch ich bin wesentlich wachsamer geworden, weil ich weiß, dass sie mir nicht gut tun. Ich will mich nicht mehr selbst erniedrigen.  Ausrutscher passieren mir immer noch, sind aber – gott dank – nicht  mehr an der Tagesordnung. 

Damals – als ich damit begann, mir mit Selbstmitgefühl zu begegnen, bestand der erste Schritt darin, anzuerkennen, dass in mir eine ziemlich harte Stimme existiert und wie sehr sie mich beeinflusst. Mir diese unfreundlichen,  kritischen und destruktiven Gedanken bewusst zu machen, war ein erster mächtiger Schritt in Richtung Veränderung. Denn bei allem, was uns bewusst wird, haben wir die Möglichkeit der Wahl. Will ich mich wieder mit meinen negativen Gedanken klein machen oder will ich freundlich mit mir sein?. Bewusstwerden schenkt uns Wahlmöglichkeiten. Wir können beginnen unser negatives Selbstgespräch durch einen mitfühlenden und verständnisvollen inneren Dialog ersetzen. Das gelingt nicht sofort, es bedarf der fortwährenden Übung. Der Übung, sich selbst freundlich und respektvoll zu begegnen. Sozusagen eine für sich selbst fürsorgliche Haltung einnehmen. 

Noch heute helfen mir bestimmte Sätze, die mich davon abhalten, mir selbst Vorwürfe zu machen, wie zum Beispiel. “Es ist in Ordnung, Fehler zu machen, ich bin ein Mensch!” “Es ist in Ordnung, dass es mir noch nicht gelingt.“ “Es ist in Ordnung, dass es Zeit braucht.“

Es ist eins der größten Geschenke die wir uns selbst machen können, zu akzeptieren, dass wir Schwächen haben und wohl oder übel Fehler gemacht haben und auch weiterhin Fehler machen werden, denn wir sind als Mensch einfach unvollkommen. Wie oft setzen wir uns selbst übermäßig hohe Maßstäbe. Ich bin fortwährend dabei, meine Maßstäbe zu korrigieren und das fällt mir oft nicht leicht. Aber ganz ehrlich, was hilft es mir, übermäßig hohe Maßstäbe zu setzen, wenn ich dann unglücklich, angespannt, lustlos und unfreundlich werde? 

In den Momenten, in denen ich mal wieder hart mit mir bin, hole ich mir eine imaginäre Freundin herbei, die mir wohlwollende oder auch tröstende Worte zuspricht wie z. B. “Dies ist echt gerade schwer”. 

Die letzten Wochen befand ich mich in einer Reha aufgrund einer beidseitigen Hüft-OP. Während dieser Zeit habe ich mich oft einsam gefühlt und hatte sehr viel Heimweh. In manch einer Stunde habe ich es tatsächlich geschafft, mir tröstend zur  Seite zu stehen. Diese Erfahrungen empfinde ich als einen sehr großen Schatz. Ich werde ihn weiterhin hegen und pflegen. Letztlich wachsen wir in solchen Zeiten. Das, was wir uns selbst schenken, kann uns keiner nehmen. 

Selbstmitgefühl bedeutet aber auch, sich zum Beispiel zu ermutigen, wenn Menschen nicht an unserer Seite stehen. Immer wieder geht es darum, freundlich mit uns selbst zu sein, nicht hart, demütigend oder destruktiv, sondern stärkend, freundlich, wohlwollend. 

Das bedarf jedoch einer fortwährenden Achtsamkeit uns selbst gegenüber. Achtsamkeit bedeutet im wesentlichen im gegenwärtigen Moment mit vollem Bewusstsein zu leben ohne zu urteilen. Achtsamkeit beginnt damit, die eigenen Gefühle und Erfahrungen anzuerkennen, ohne sie zu forthaben zu wollen oder sich darin übermäßig zu verlieren. Das heißt ich versuche eine Beobachterin zu sein, eine Beobachterin, die über das was gerade ist, nicht wertet. 

Ich konnte in den letzten Monaten oft die Erfahrung machen, dass mir bei schwierigen Emotionen das achtsame Atmen sehr effektiv geholfen hat. Schon langsame, tiefe Atemzüge können dazu beitragen, unser Nervensystem zu beruhigen und intensive Emotionen zu reduzieren. 

Hören wir endlich auf, uns ständig zu bewerten und selbst zu verurteilen. Schenken wir uns selbst eine freundliche und wertschätzende Haltung. Akzeptieren wir uns, so wie wir gerade sind mit unseren Stärken, Schwächen und Grenzen. 

Hier eine kleine Übung für dich, wie du dich selbst tröstend umsorgen kannst, wenn das nächste Mal kein lieber Mensch an deiner Seite ist. 

Atme einige Male tief und bewusst ein. Dann  legst du eine Hand auf dein Herz und spüre einmal deinen Herzschlag. Nehme deine Wärme wahr, lausche deinem Herzschlag und lege dann deine andere Hand auch auf dein Herz. Spüre deine Berührung, nimm dir Zeit und verweile, bis du dich wohler fühlst.

Ich wünsche Dir eine herzerwärmende Adventszeit,

Deine Heike

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