„Ich habe nichts getrunken – aber sie glauben mir nicht.“
Ein Satz, der mir immer wieder begegnet. Und jedes Mal spüre ich die Schwere bei den Betroffenen, die darin liegt. Denn: Misstrauen in der Abstinenz schmerzt – besonders, wenn es von denen kommt, die einem eigentlich nahe stehen sollten.
Betroffene berichten häufig, dass ihnen von Seiten der Familie oder des Freundeskreises Misstrauen entgegengebracht wird, ob jetzt zu Beginn der Abstinenz oder auch, wenn sie bereits längere Zeit nüchtern leben. Statt Anerkennung und wohlwollenden Worte, erfahren sie Zweifel an ihrer Abstinenz. Dabei wären gerade Ermutigung und wertschätzende Worte in dieser sensiblen Phase so bedeutsam.
Das fehlende Vertrauen trifft viele Betroffene tief. Es kann emotional stark belasten und nicht selten zu einem Rückfall beitragen. Auch in Selbsthilfegruppen ist dieses Thema ein wiederkehrendes Gesprächsthema. Die Erfahrung, sich rechtfertigen zu müssen, anstatt Unterstützung zu erfahren, hinterlässt oft Spuren – und macht deutlich, wie wichtig ein tragendes soziales Umfeld für eine stabile Abstinenz ist. Doch Misstrauen seitens der Familie und von Freunden zeigt nicht die Unzulänglichkeit der Betroffenen – es zeigt deren Angst. Es ist ein Schutzmechanismus und umso wichtiger ist hier für die Betroffenen: Stabilität, offene Kommunikation, Verständnis für ihre Ängste und klare Grenzen.
Ich habe hier einige Idee und Impulse für Dich im Umgang mit Misstrauen in der Abstinenz:
Inhaltsverzeichnis
Beziehungen gestalten
- Vertrauen entsteht durch Beständigkeit und kleine Taten. Bleibe nüchtern, zeige deine Verlässlichkeit, indem du z. B. Verabredungen oder Termine einhältst.
- Lade deine Angehörigen zu einem Gespräch ein, wenn sie bereit sind.
- Zeige deine Schritte (z. B. Gruppentreffen, Therapie, Alltagserfolge).
- Suche dir Menschen in deinem Umfeld, die dich auf deinem Weg stärken und ermutigen.
- Traue dich offen zu reden: Du kannst Angehörige oder Freunde direkt fragen: “Wie kann ich dein Vertrauen wieder stärken?” oder “Was brauchst du, um mir wieder zu vertrauen”
- Frage dich: Was will ich mitteilen – Ehrlichkeit wirkt. Und: Du kannst auch schweigen.
- Nutze – wenn du magst – Familienberatung, binde enge Familienmitglieder in deine Therapie ein. Es ist eine Möglichkeit, Angehörigen zu helfen, ihr eigenes Misstrauen zu verstehen, Enttäuschungen zu verarbeiten und Angehörige als eigenständige Person sehen zu lernen. Aber zeigt auch eine Grenzen auf. Was bin ich bereit zu geben – und wo ist meine Grenze?
Tipp: Kein großes Erklären. Deine Haltung ist wichtiger als jedes Argument.
Mit Misstrauen umgehen – konkrete Strategien
Misstrauenssignal | Mögliche Antwort mit Haltung |
„Du trinkst doch bestimmt heimlich.“ | „Ich verstehe, dass du Zweifel hast. Ich kann nur sagen: ich bin nüchtern und will es bleiben.“ |
„Du hast dich verändert – bist komisch.“ | „Ja, ich wachse. Und das fühlt sich manchmal neu an – auch für mich.“ |
„Ich glaube dir das nicht ganz.“ | „Das darfst du. Und ich bleibe trotzdem auf meinem Weg.“ |
„Ich will nicht wieder enttäuscht werden.“ | „Verständlich. Ich arbeite an mir – das kannst du sehen, wenn du willst.“ |
Abgrenzung üben – liebevoll & klar
- Grenze setzen: „Ich merke, dass mir dieses Gespräch nicht gut tut. Lass uns bitte später weiterreden.“
- Gefühle benennen: „Es verletzt mich, wenn du mir nicht glaubst. Ich kann es nicht ändern – aber ich kann dir sagen, ich habe nicht getrunken.
- Schutz aktivieren: Es ist okay, auf Abstand zu gehen, wenn Menschen dich in eine alte Rolle drängen.
Selbstfürsorge: Deine Tankstellen
- Du kannst ein Abstinenztagebuch führen: Was läuft gut? Worauf bist du stolz? Ich schreibe seit Beginn meiner Abstinenz solch ein Tagebuch. Es ist wie eine Freundin an meiner Seite. Es ist immer bei mir. Hier lege ich alles nieder. Manchmal fließen Worte aus meiner Feder, als wären sie ein Geschenk – manchmal auch magisch, manchmal überraschend.
- Geh in Gruppen, zu Spaziergängen, in die Natur – dort, wo du nicht bewertet wirst.

Mein Tagebuch
Dein innerer Kompass
- Selbstmitgefühl: Du tust gerade das, was viele sich nicht trauen – ehre deine Reise.
- Geduld & Mitgefühl gegenüber anderen: Misstrauen bleibt oft unsichtbar als Schutz vor neuem Schmerz – biete Verständnis, nicht Verteidigung.
- Akzeptiere, was du nicht ändern kannst: Nicht alle werden dich sofort verstehen. Aber deine Klarheit wirkt – und das zählt.
Ich wünsche dir, dass dir diese Gedanken hilfreich sind. Zum Abschluss habe ich eine Bitte: Lass dich selbst nicht fallen, nur weil andere zweifeln. Bleibe auf deinem Weg, Schritt für Schritt. Bleibe nüchtern.
Deine Heike
P.S. Und schreib mir gerne:)
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