Leseprobe: Glücklich alkoholfrei

Mein Weg aus der Sucht

Ostern 2011

Wenn es einen Gott gibt, dann gab es ihn in den ersten Tagen der Kapitulation…

Ich bin allein zuhause. Mein Sohn bei seiner liebsten Oma. 

Zeit zum Trinken, ungehemmt. Sitze in der Küche und öffne meine erste Bierflasche. Wieder ein Tag, der mit Alkohol beginnt und wahrscheinlich auch so enden wird. Ich klappe meinen Laptop auf, öffne mein E-Mail-Postfach und sehe eine Nachricht von meiner Mutter.

Doppelklick.

Ich lese die Mail und mir stockt der Atem. Einige Worte wiederholen sich automatisch in meinem Geiste: “Ich schalte das Jugendamt ein und nehme dir deinen Sohn weg, wenn du nicht aufhörst zu trinken.“

Ich erstarre. Ein stummes “NEIN!, das wagst du nicht, das kannst du mir nicht antun!” Mein Herz gleicht einem Presslufthammer. Wut, Hass, Verzweiflung, alles tut sich auf. Ich sitze am Küchentisch und am lautesten ist dieser Hass auf meine Mutter. Dieser pure Hass. Sie kann mir doch nicht meinen Sohn wegnehmen!

Alkohol war doch mein Halt, mein Mut, mein Trost, meine Geborgenheit. Er war immer da. Mit ihm konnte ich alles vergessen, mit ihm konnte ich mich öffnen, mit ihm konnte ich mich leicht fühlen, mit ihm konnte ich lachen und tanzen. Er half mir täglich, meinen Haushalt und alles andere zu bewältigen. Er half mir, all meine Gefühle zu kontrollieren, ganz besonders, wenn ich mich wieder einmal völlig aufgelöst fühlte, wie jetzt. Er nahm mir die Angst vor dem Leben. 

Zehn Jahre später – Sauerland, Sommer 2021

Ich sitze auf dem Balkon meiner Ferienwohnung, genieße meinen Morgenkaffee und die aufgehende Sonne wärmt meinen Körper. Ich betrachte den blauen Himmel, die grüne Landschaft um mich herum, höre Vogelgezwitscher und das Wasserrauschen des kleinen Baches unterhalb des Hauses. Was für ein schönes Leben!

In dieser herrlichen Landschaft – wo es weder einen Bäcker noch ein Lebensmittelgeschäft, einen Kindergarten oder eine Schule gibt – werde ich einige Tage verbringen. Mein Sohn ist allein zuhause, der Kühlschrank ist voll, er ist also bestens versorgt. Und ich?

Ich habe in meinem Gepäck ein Manuskript. Mein Manuskript. Hier an diesem Ort werde ich es feinschleifen oder vielleicht noch einmal komplett auseinandernehmen, noch weiß ich nicht, wie und was passiert. Nur eins ist sicher, es wird das Buch, das du jetzt in den Händen hältst.

Ich werde dir in diesem Buch erzählen, wie ich es „nach diesem Tag“ geschafft habe, mir ein erfülltes, glückliches Leben ohne Alkohol aufzubauen. Dir meine Geschichte zu erzählen, ist mir schon sehr lange ein starkes Bedürfnis. Doch die Zeit musste reifen und letztes Jahr war es dann endlich soweit.

Wusstest du, dass jeder fünfte Bürger in Deutschland zu viel Alkohol trinkt und dass die Rückfallquote bei alkoholkranken Menschen bei circa 70 bis 90 Prozent liegt?

Mit meiner Geschichte möchte ich dich ermutigen, dass auch du dir ein erfülltes Leben erschaffen kannst. Es geht, es braucht halt alles nur seine Zeit.

Ratgeber gibt es genug auf dieser Welt. Mir lag es sehr am Herzen, dir meine Geschichte offenzulegen, als Beweis, dass man sich aus einer jahrzehntelangen Abhängigkeit befreien kann. Und Du kannst es gewiss auch. Dalai Lama sagte einmal „Der Planet braucht keine erfolgreichen Menschen mehr. Der Planet braucht dringend Friedensstifter, Heiler, Erneuerer, Geschichtenerzähler und Liebende aller Arten.“

Ich möchte für dich eine Geschichtenerzählerin sein.

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